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#artbookfriday – Ernste Spiele – man könnte sich die Finger verbrennen…

Heute ist wieder unser #artbookfriday. Dieses Mal beschäftigte ich mich mit Geschichten vom Aufstieg des ästhetischen Kapitalismus von Prof. Dr. Michael Hutter.

Über das Buch

Das im Wilhelm Fink Verlag erschienene Buch Ernste Spiele behandelt das Thema der „Verflechtung“ von Kunst und Wirtschaft (S. 32). Einerseits wird die parallele Entwicklung und das Verhältnis von Kunst und Kapital, andererseits die gegenseitige Beeinflussung und die Folgen ab der Rückbesinnung auf die Antike am Beispiel der Linearperspektive dargestellt.

Zu Beginn erklärt der Autor die Spielregeln und seine Begrifflichkeit. Im ersten Kapitel geht er auf die kommerzielle Wertschöpfung durch die Erfindung der Linearperspektive ein. „Erst musste die Vorstellung vom Bildraum zu einer Selbstverständlichkeit werden […]. Dann konnte der immer breiter werdende Strom von Erlebnisgütern entstehen, der sich auf das Instrumentarium der Zentralperspektive stützte.“ (S. 54/5)

Im Verlauf beschreibt er beispielsweise die Druckgrafik oder Serien als Kunst für die breite Masse. Das Ziel dieser Verbreitung war entweder mit aufklärerischen Absichten verbunden und hatten daher einen informellen Charakter oder hatten dekorative Gründe. Meist dienten sie aber der Bildung der Bevölkerung, während wiederum andere Bilder aufgrund ihrer Symbolik lediglich von der höheren Bildungsschicht verstanden wurden.

Im zweiten Teil beschreibt er anhand von Andreas Gurskys Fotografie 99 Cent (1999) die Veränderung des Kunstwerkes zum Objekt, dass durch die Reproduzierbarkeit des Bildes als Datei jedem zur Verfügung steht.

„Das Kunstwerk besteht […] aus einer digitalen, auf einer Festplatte gespeicherten Datei, verbunden mit anderen Medien, die diese Datei in ein digitales oder analoges Bild übertragen. Die Einmaligkeit des Werkobjekts ist bei dieser Technologie nicht mehr gegeben, nicht einmal die Verschiedenheit analoger fotografischer Abzüge spielt eine Rolle, denn prinzipiell ist die Originaldatei unendlich oft ohne die geringste Einbuße an Qualität vervielfältigbar.“ (S. 2011)

Allerdings erzielt ausschließlich das unterschriebene (Entstehungsdatum und Signatur) Objekt als Kunstwerk einen gewissen Wert, genauer gesagt erreichte 99 Cent bei der letzten Auktion eine Rekordhöhe von 3,35 Mio US-Dollar. (S.215)

Dies stellt er der Kunst von Takeshi Murakami, die „300 Mio. US-Dollar Umsatz für Vuitton“ (S. 220) erzielte, gegenüber. „Die Grenzlinie zwischen ästhetischem und kommerziellem Spiel wird unklar.“ (S. 223/4) Wenn die Kunst kommerzialisiert wird (Beispiel: Neverfull-Taschen, mechanisch signiert und mit Echtheitszertifikat ausgestattet, S.224/5), ist die Kunst in Folge aber nicht mehr für die Masse im Sinne von Bevölkerung, sondern zur Kunst der Massen (serielle Produktion als Massenkunst) geworden: Kunst als Produktion oder Fließbandkunst (würde ich sagen).

Diese Entwicklung ist auf die Entstehung der Bourgeoisie zurückzuführen, die sich auch in der Kunst widerspiegelte. Aufgrund des wachsenden Wohlstandes, stieg ebenso das Interesse für Kunst, sodass diese in Salons ausgestellt wurde, sie wurde einer wachsenden Bildungsschicht präsentiert. Gleichzeitig stellt die Kunst ein ästhetisches Ideal der Wirtschaft, nämlich den Konsum, immer wieder dar.

Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass der Autor ein Ökonom mit fundiertem, kunsthistorischem Hintergrundwissen, welches er auf langen Forschungsreisen vertiefen konnte, ist. Er behandelt die kunsthistorische Entwicklung aus Sicht der Wirtschaft und beschreibt ab dem 15. Jahrhundert die Auswirkung des Kapitals auf die Kunst, welche heute ihren Höhepunkt in der Geschichte erreicht hat. Die Frage, die ich mir stelle, lautet: was passiert morgen?

Fazit

Bei seinen Überlegungen werden Parameter wie Fortschritt, Technologie, Wirtschaft, Wachstum, Markt, Gesellschaft, Bildung, Religion und Medien berücksichtigt und in ihrem historischen Kontext beschrieben. Darüber hinaus betrachtet der Autor alle Kunstbereiche: von Architektur, über Malerei, bis Siebdruck und das digitale Bild. Dabei spielt die Linearperspektive eine prägende Rolle.

Um die ernsten Spiele mit einem kleinen Wortspiel zusammenzufassen: das Buch liefert spannende Geschichten und einen ungewöhnlichen Blick auf das Kunstspiel der Spieler, das durch Geschmacksspiele geprägt ist, und durch Wechselspiele die Bildkunstspiele zum kommerziellen Spiel macht.

Facts

• Titel: Ernste Spiele, Geschichten vom Aufstieg des ästhetischen Kapitalismus
• Autor: Prof. Dr. Michael Hutter
• 276 Seiten mit Abbildungen
• Wilhelm Fink Verlag, München
• Preis: ca. € 34,90

Link zum Buch

Wir danken dem Fink Verlag für die Übersendung eines Rezen­sion­sex­em­plares!  Diese Rezen­sion erscheint im Rah­men des #art­book­fri­day, ins Leben gerufen von Muse­um­lifestyle.

Coverbild © Wilhelm Fink Verlag