„Die Kapuzinergruft ist ein Monument der Gesamtgeschichte, ein Ausdruck dessen, was das Wort Österreich bedeutet. Die Verbindung zur Religion und zu den Gedanken der Geistigkeit des Landes.“ Otto Habsburg
1.) Einleitung
Die Kapuzinergruft reiht sich in die Grablegen wie jener des französischen Königshauses in St. Denis oder dem des Spanischen Herrscherhauses im Escorial ein. Bis zum heutigen Tage ist sie ausschließlich den Mitgliedern der Familie Habsburg vorbehalten. Ihre Einmaligkeit wird durch die Größe und die Bedeutsamkeit sowie durch die über 300 Jahre währende Selbstdarstellung des Hauses Habsburg begründet.[1] 12 Kaiser und 19 Kaiserinnen bzw. Königinnen finden hier ihre letzte Ruhe, insgesamt beherbergt die Gruft derzeit 146 Habsburger.[2] In jedem Jahrhundert wurde an der Kapuziner- bzw. Kaisergruft gebaut, auch noch von der Republik Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg.[3] Eine weitere Besonderheit der Kapuzinergruft ist, dass für jeden Toten des Hauses Habsburg ein Sarkophag geschaffen wurde, der sich in Form und Gestalt von den anderen unterscheidet.[4]
2.) Baugeschichte und Aufbau der Gruft
1618 verfügte die kinderlose Kaiserin Anna (1585-1618), Ehefrau von Kaiser Matthias (1557-1619), testamentarisch die Errichtung von Kirche und Kloster samt Gruft für sie und ihren Gatten am Neuen Markt.[5] Links der Mehlmarkt vor Errichtung der einschiffigen Kapuzinerkirche zur Heiligen Maria zu den Engeln, die einen markanten Giebel aufweist, auf der linken Seite wurde die Kaiserkapelle, auf der rechten die Pietakapelle hinzugefügt (rechts der Grundriss). Die Grundsteinlegung erfolgte unter dem Nachfolger Ferdinand II. am 8. September. Bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg kam es zu Verzögerungen bei der Errichtung des Baues. Am 25. Juli 1632 erfolgte die kirchliche Konsekration, zu Ostern 1633 wurden die Verstorbenen in die Gruft umgebettet.[6]
Die sogenannte Gründergruft befindet sich unter der linken Seitenkapelle der Kirche, die sogenannte Kaiserkapelle. Bereits Ferdinand III. (1608-1657) lässt seine verstorbenen Familienmitglieder in der Gruft beisetzen und legt so den Grundstein zum Erbbegräbnis der Habsburger in Wien, der auch die Aufteilung der Körper der Habsburger auf (meist) drei Orte einführte: das Herz in der Loretokapelle in der Augustinerkirche, die Intestina im Stephansdom in der Herzogsgruft; und der Körper in der Kapuzinergruft.[7] Leopold I (1640-1705) erweiterte die Gruft zweimal, die Leopoldsgruft befindet sich unter dem Hauptschiff der Kirche. Josef I. (16781711) erweiterte die Gruft in Richtung Westen, im Jahr 1720 vergrößerte Kaiser Karl VI. (1685-1740) die Gruft. Die Kapuzinergruft erstreckt sich unter dem Altarraum der Kirche sowie unter dem Gebetsraum des Klosters.[8] Zum ersten Mal ist der Name des Architekten bekannt: Lukas von Hildebrandt.
Die obige Abbildung zeigt einen Einblick in die Leopolds- und Karlsgruft.
1754 lässt Maria Theresia die wohl beeindruckendste Gruft von Architekten Jean Jadot de Vile-Issey errichten (siehe Abb. oben), wobei in diesem Fall nicht unter der Kirche oder dem Kloster gebaut wird, sondern im Sakristeigarten. Die Kuppel ragt vollständig aus der Erde heraus, sie ist bekrönt von einer Laterne an deren Spitze die Kaiserkrone einem Totenkopf krönt.
Auf dieser Abbildung ist der Doppel-Sarkophag von Maria Theresia und ihrem Gatten Franz Stephan zu sehen.
Hier der Sarkophag Franz I. mit Blick auf den Sarkophag Maria Theresias.
Franz I. (1768-1835) lässt durch Johann Aman 1824 die Franzensgruft anbauen.[9] Der bürgerliche Architekt Johann Höhne baute für Kaiser Ferdinand der Gütige (1793-1875) die Ferdinands- und Toskana-Gruft an. Diese Grufträume liegen zum Teil im Sakristeigarten und zum Teil unter dem Kloster. 1962 erfolgte ein Umbau der Ferdinandsgruft, die Vermauerung der Nischen aus Platzgründen.[10] Die Toskana-Gruft ist sehr schlicht gehalten, wie die nachstehende Abbildung zeigt:
1908/09 ließ Kaiser Franz Joseph I. (1830 – 1916) die Gruft durch Cajo Perisic erweitern. In der fast quadratischen Gruft wurden der Kaiser selbst, seine Frau Elisabeth und Kronprinz Rudolf bestattet.
Abb.: Sarkophage Kaiser Franz Joseph, links Kaiserin Elisabeth von Österreich und rechts Kronprinz Rudolf.
1960 wurde die Neue Gruft (Abb. oben) vom Architekten Schwanzer errichtet, sie soll die überfüllten Gruften entlasten, bietet aber auch ein besseres Klima für die Erhaltung der Sarkophage. Gewidmet ist die Neue Gruft Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie.
Gemeinsam mit der Franz Josephs-Gruft wurde auch die Gruftkapelle errichtet, in der neben einer Gedenkbüste Kaiser Karls I. der Sarkophag von Kaiserin Zita untergebracht wurde. Im Jänner 2008 fand wurde der Sohn Karls I., Erzherzog Carl Ludwig in der Kapuzinergruft bestattet.[11] Am 16.7.2011 folgte die bis dato letzte Beisetzung von Otto von Habsburg und seiner Gattin Regina. In den Jahren 1934 bis 1936 wurde die über die Jahrhunderte umgebaute Kirchenfassade anhand alter Ansichten rekonstruiert.[12] Der markanteste Umbau war die Errichtung eines Portalvorbaues im Jahr 1760, der noch heute erhalten ist.[13]
3.) Zur Wahl des Bestattungsortes und Begräbniszeremonie
Mit der Wahl einer Gruft als Grablege entschieden sich die Habsburger gegen eine öffentliche Grablege im Inneren eines Domes oder einer Kirche. Die Vorteile einer Gruft liegen auf der Hand: Exklusivität, eine freiere und unabhängigere Gestaltung sowie der Abgrenzung gegenüber untergeordneten Schichten sowie Gleichstellung mit anderen Königshäusern. Es stellt sich nun die Frage, wieso die Habsburger die Kapuziner wählten: Die Kapuziner passten gut zu der von den Habsburgern propagierten Pietas Austriaca. 1601 bot der Hl. Laurentius von Brindisi, ein Kapuziner im Krieg gegen die Türken bei Stuhlweißenburg den habsburgischen Truppen durch seine Mut machende, seelsorgerische Unterstützung, die somit einen wesentlichen Anteil am Sieg hatte.[14]. Die Herrschergrablege bedeutet somit einen doppelten Prestigegewinn zum einen für die Kapuziner, zum anderen für das Kaiserhaus, das somit sein Bild von einem besonders demütigen und frommen Herrschergeschlecht in Szene setzen konnte.
Rund um den Tod und die Trauer(feierlichkeiten) und Überführung der Habsburger entwickelte sich ein streng reglementiertes Bestattungs- und Trauerzeremoniell, dem spanischen Hofzeremoniell entsprechend, eine mit acht schwarzen Rappen gezogene Kutsche mit dem Sarg, um die Herrschaft zu legitimieren und auch eine Kontinuität zu demonstrieren.[15] Die linke Abbildung zeigt den Trauerzug Kaiser Franz Josefs von Meissl aus dem Jahr 1916. Vor der verschlossenen Tür der Kapuzinerkirche hält der Trauerzug, ein Herold klopft an die Tür. Ein Kapuzinerbruder fragt: „Wer begehrt Einlass ?“. Der Herold nennt den jeweiligen Namen mit sämtlichen Titeln, der Bruder antwortet mit: „Wir kennen ihn/sie nicht“. Der Herold klopft neuerlich an, wieder erfolgt die Frage, wer Einlass begehre, worauf der Herold mit einer schon gekürzten Titelversion samt Namen des Verstorbenen nennt, aber auch diesmal antwortet der Bruder, dass die Person nicht bekannt sei. Der Herold klopft ein drittes Mal, der Bruder fragt neuerlich: „Wer begehrt Einlass ?“. Die Antwort des Herolds: „NN, ein sterblicher, sündiger Mensch“.
4.) Symbolik an den Sarkophagen der Kapuzinergruft
Die Sarkophage können nur mit zwei Schlüssel geöffnet werden, einer befindet sich im Besitz des Kapuzinerordens, der andere wird in der geistlichen Schatzkammer in der Hofburg verwahrt.[16] Der Schrank zur Aufbewahrung der Schlüssel ist hier zu sehen. Genauso wie sich die Räume in ihrer Gestaltung über die Jahrhunderte, geprägt durch den Bauherren, veränderten, bezieht sich das auch auf die Sarkophage der Habsburger. Am Beginn stehen die zwei schlichten, im Stil der Renaissance gehaltenen Stiftersärge, diese zeigen religiöse Symbole, wie zB das Kreuz und Maria und Johannes, dennoch kommt auch die weltliche Symbolik nicht zu kurz, durch Kaiserkrone, Doppeladler und Orden vom Goldenen Vlies.[17]
Der frühbarocke von Johann Baptist Zacharias Lauffer geschaffene Sarg von Kaiser Ferdinand III. erscheint schon mit einem gesteigerten Ornamentreichtum. Christliche Symbole sind ua ein Pelikan mit geöffneter Brust oder Christus am Kreuz mit Maria, weltliche Symbole sind wieder durch Wappen und den Doppeladler vertreten. Durch Totenköpfe wird die Vanitas-Darstellung, die im Barock besonders beliebt war, hinzugefügt.[18]
Der Sarkophag Leopolds I., entworfen von Johann Königsbauer, trägt die österreichische Hauskrone, neben einem Kreuz mit corpus. Bei dem Sarg fällt auf, dass die Inschriften zunehmen, insgesamt vier, die Hauptinschrift nimmt Bezug auf den Sieg über die Türken im Jahr 1683.[19] Ebenfalls dem Hochbarock entstammt der Sarg Josephs I., der von Johann Lukas von Hildebrandt entworfen wurde. Die Besonderheit ist, dass erstmalig historische Ereignisse in Form von Reliefs sichtbar gemacht werden, bis dahin wurden siegreiche Schlachten des Hauses Habsburg entweder mit einer Inschrift, so bei Leopold I, oder später in Form von Schlachtenreliefs präsentiert.[20]
Der schlichte Sarkophag von Leopold II.
Eine weitere Zunahme des Figurenreichtums lässt sich feststellen, die Herrschaftssymbole und das Kreuz als christliches Symbol sind ebenfalls vorhanden. Bis zum Sarg Josephs I. befindet sich ein Kreuz auf den Särgen, erst mit dem Sarg Karls VI. wird mit der Tradition gebrochen, die herrschaftliche Machtdemonstration steht ab sofort im Mittelpunkt.[21].
Abb.: Doppelsarkophag Maria Theresias und Franz Stephans. Davor befindet sich der Sarg von Joseph II.
Ein Wandel tritt mit dem schmucklosen Sarg Josephs II. ein. Insgesamt lässt sich ein Übergang von einer einfachen christlichen Symbolik hin zu einer pompösen Verwendung weltlicher Herrschaftssymbolik feststellen, der im Doppelsarkophag Maria Theresias und Franz Stephans seinen Höhepunkt findet, schließlich zunehmend zurückgenommener wird und im 19. und 20. Jahrhundert mit schlichten monumentalen Sarkophagen das Bilder der Kapuzinergruft prägt.
Es wird ein so schönes Fest, dass ich am liebsten hinter meinem eigenen Sarg einhergehen möcht´, Karl VI.
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Literatur
Dmytrasz: Barbara Dmytrasz, Exkursionsdidaktik Wien. Universität Wien (ohne Jahresangabe).
Ginhart 1925: Ginhart, Die Kaisergruft bei den PP. Kapuzinern in Wien, Wien 1925.
Knoz 2005: Tomas Knoz, in Mark Hengerer (Hrsg.), Macht und Memoria: Begräbniskultur europäischer Oberschichten in der Frühen Neuzeit, Köln 2005.
Kusin 1973: Eberhard Kusin, Die Kaisergruft, Wien 1973.
Fußnoten
[1] Kusin 1973, S. 6 sowie Knoz 2005, S. 463.
[2] http://www.kaisergruft.at/kaisergruft/geschichtefr.htm.
[3] Kusin 1973, S. 6.
[4] Kusin 1973, S. 6.
[5] Kusin 1973, S. 7.
[6] Kusin 1973, S. 7.
[7] Diese Tradition hielt sich bis zum Tode des Erzherzogs Franz Karl im Jahr 1878. http://text.habsburger.net/.
[8] Kusin 1973, S. 7.
[9] Kusin 1973, S. 8.
[10] Kusin 1973, S. 11.
[11] http://www.kaisergruft.at/kaisergruft/kapellefr.htm.
[12] Dmytrasz, S. 58.
[13] http://www.kaisergruft.at/kaisergruft/kapkirche.htm.
[14] http://www.kapuziner.org/oprov/heilige/fidelis.php. Knoz 2005, S. 464
[15] Die beeindruckende Zeremonie vor dem Tor zur Kapuzinergruft war in dem Film Kronprinz Rudolf sowie bei den Trauerfeierlichkeiten der Kaiserin Zita zu sehen.
[16] http://www.kaisergruft.at/ – Begräbniszeremonien.
[17] Kusin 1973, S. 13.
[18] Kusin 1973, S. 13.
[19] Kusin 1973, S. 16.
[20] Kusin 1973, S. 16.
[21] Kusin 1973, S. 16.
Dieser Beitrag basiert auf einer schriftlichen Arbeit im Rahmen des Kunstgeschichte-Studiums (Exkursion – Inland), die ich im Jahr 2011 verfasste, wobei der Beitrag aktualisiert wurde.