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9 aufsehenerregende Kunstzerstörungs-Fälle

Kunstzerstörung umfasst mehrere Aspekte:

  • die gewollte/bewusste Zerstörung durch einen Künstler selbst
  • die mutwillige Zerstörung eines Kunstwerkes
  • die irrtümliche Zerstörung eines Kunstwerkes (Putzunfälle)
  • Reaktion der Kunst auf Kriege, Vernichtung, Zerstörung

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts stieg das künstlerische Interesse an Zerstörung und Demontage. Diesen Gesichtspunkten widmet sich die noch bis zum 15.2.2015 zu sehende Ausstellung “Damage Control” im Kunsthaus Graz.

Wie reagieren die Künstler selbst, wenn ein Werk von ihnen von einem anderen (zumeist auch Künstler) zerstört, beschädigt oder durcheinander gebracht wird ? Tracey Emin selbst bezeichnete die Aktion eines chinesischen Künstlerduos, das in ihrer Kunstinstallation “My Bed” eine Kissenschlacht ausführte, als Terrorismus.((http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/dada-prozess-das-bezahl-urinal-a-465348.html sowie http://www.nytimes.com/2006/01/07/arts/design/07duch.html?_r=2&)) Ai WeiWei führte zur die Zerstörung einer Vase seiner Installation (siehe Punkt 2.) aus, dass die “Gründe dafür nicht richtig klingen”.((http://derstandard.at/1392685446441/Wertvolle-Vase-aus-Ai-Weiwei-Installation-zerstoert/))

Beispiele

– “Künstler” und Künstler als Kunstzerstörer

1. Cy Twombly und der Kuss

Eine Künstlerin hinterließ im Juli 2007 auf einem 2 mal 3 Meter großen, weißen Gemälde von Cy Twombly einen roten Kußmund. Der Künstler war “entsetzt”, die Künstlerin wurde in einem Prozess zur Bezahlung von Restaurierungskosten in der Höhe von € 18.400 verurteilt.((http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/lipstick-vandalin-hohe-geldstrafe-fuer-kussmund-auf-kunstwerk-a-628342.html))

2. Die Vase von Ai Weiwei

Ein Künstler warf (und zerstörte damit) im Perez Art Museum in Miami eine (geschätzte) € 730.000 teure Vase von Ai Weiwei auf den Boden. Motiv für die Handlung: der Künstler wollte aus Protest gegen zu viel internationale Kunst in Museen gehandelt haben.((http://derstandard.at/1392685446441/Wertvolle-Vase-aus-Ai-Weiwei-Installation-zerstoert )) Die von Ai Weiwei in Industriefarbe getunkte Vase stammte aus der Han-Dynastie und war Teil der Installation “Coloured Vases”.((http://www.newyorker.com/business/currency/the-case-of-the-million-dollar-broken-vase sowie http://www1.wdr.de/fernsehen/kultur/west-art-meisterwerke/sendungen/aiweiwei136.html))

3. Fountain von Marcel Duchamps

Pierre Pinoncelli und “La Fontaine” von Marcel Duchamps. 1993 führte er es seiner eigentlich Bestimmung zu und urinierte bei einer Ausstellung in Nimes hinein. Ein teures Vergnügen – er wurde zu einer Geldstrafe von ca. € 45.000,- verurteilt. 2006 war es wieder soweit – Pinoncelli marschierte in das Centre Pompidou – bewaffnet mit einem Hammer (oder einer kleinen Axt) und beschädigte ein weiteres Exemplar von “La Fontaine”. Im Jahr darauf fand er sich vor einem Gericht wieder, das ihn zu drei Monaten Haft auf Bewährung sowie zur Zahlung von € 14.352,- an Restaurierungskosten, verurteilte.((http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/dada-prozess-das-bezahl-urinal-a-465348.html sowie http://www.nytimes.com/2006/01/07/arts/design/07duch.html?_r=2&))

– Putzunfälle

Moderne Kunst hat es nicht einfach. Viele sagen “Das ist Kunst ???” oder “Das kann ich auch”. ((Als weiterführende Literatur seien Bücher wie Kassel. Ist das Kunst – oder kann das weg? Documenta-Geschichten, Märchen und Mythen oder Und das ist Kunst?!: Eine Qualitätsprüfung empfohlen.)) Die Verwendung von Alltagsgegenständen und auch die Positionierung mitten im Raum erleichtert es nicht. Dadurch läuft moderne Kunst Gefahr nicht erkannt, verkannt und unter Umständen entfernt zu werden. Hier ein paar Beispiele:

4. Kippenberger – “Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen”

Martin Kippenberger schuf 1987 “Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen”, dass sich als Dauerleihgabe im Museum Ostwall in Dortmund befindet. Das Werk ist ein hoher Holzplattenturm, am Boden befindet sich ein Trog mit einem weißen Kalkfleck. Naja, befand sich, da eine Reinigungskraft den Fleck gründlich wegputzte.((http://derstandard.at/1319181959809/Dortmunder-U-Putzfrau-zerstoert-Kippenberger-Kunstwerk sowie http://www.welt.de/kultur/article13698825/Eine-Putzfrau-wirft-die-Frage-auf-Was-ist-Kunst.html)) Der Versicherungswert solle bei € 800.000,- liegen, laut Auskunft der Restauratorin ist allerdings die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht mehr möglich.((http://www.sueddeutsche.de/kultur/wie-einst-beuys-fettecke-putzfrau-schrubbt-kunstwerk-kaputt-1.1180540))

5. Beuys

Zwei Werke von Joseph Beuys – zum einen die Badewanne – zum anderen die Fettecke – gelten als juristische Paradebeispiele für Kunstzerstörung. Johann Braun schildert in Kunstprozesse von Menzel bis Beuys das juristische Nachspiel rund um die Badewanne:((Johann Braun, Kunstprozesse von Menzel bis Beuys, 2009 – Kunstprozesse von Menzel bis Beuys: 18 Fälle aus dem Privatrecht, S. 40)) 1960 verklebte Beuys eine Kinderbadewanne aus Emaille mit Pflaster- und Mullstücken und warf auch noch einen Fettklumpen hinein. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde vom Heydt-Museum eine Wanderausstellung “Realität, Realismus, Realität” veranstaltet, die Wanne wurde für diese Dauer zu einem Wert von DM 40.000 versichert. Zuletzt gelangte die Badewanne in das Schloß Morisbroich in Leverkusen, nach dem Ende der Ausstellung ebendort in ein Magazin. Im November 1973 fand eine Feier statt, gesucht wurde ein passender Behälter um Getränke zu kühlen, entdeckt und für diese Zwecke gründlich gereinigt wurde – die Beuysche Badewanne. Es kam zu einem Prozess, dessen genauen rechtlichen Inhalt, wir in einem späteren Beitrag vorstellen möchten.

– “Restauratoren”

6. “Ecce Homo“ des Malers Elías García Martínez

… wurde von einer Amateur-Restauratorin bis in die Unkenntlichkeit restauriert und war im Jahr 2012 das Gesprächsthema (wohl zuletzt auch, dass die Dame angeblich auch an den Einnahmen der Besichtigung des Freskos beteiligt werden wollte) ((http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/misslungene-restaurierung-der-malerei-ecce-homo-in-spanischer-kirche-a-851550.html sowie http://www.theguardian.com/world/2012/sep/20/ecce-homo-cecilia-gimenez-royalties))

7. Barnett Newmans „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue III & IV”

Beide Fassungen wurden in den 80er Jahren von Vandalen aufgeschlitzt. Die mehreren Meter langen Schnitte zerstörten die monochrome Oberfläche. Ein schwieriges Unterfangen für Restauratoren. Die Restaurierung von III kostete das Stedelijk-Museum in Amsterdam $ 400.000,- und gilt als misslungen.((http://diepresse.com/home/kultur/kunst/4602193/Von-Stumpern-Kaefern-und-Putzfrauen_zerstorte-Kunst))

– “Natürliche” Kunstzerstörung – Wenn der Zahn der Zeit an der Kunst nagt

Eine juristisch interessante sowie brisante Fragestellung. Wie verfährt man (konservatorisch) mit Werken moderner Kunst wo bewusst mit verderblichen Materialien gearbeitet wird ? Heimo Schack stellt hier die zentrale Frage: “Darf der Eigentümer oder ein Restaurator dann überhaupt in den natürlichen Zerfallsprozess des Kunstwerkes eingreifen oder pervertiert eine Konservierung nicht die als vergängliche konzipierte Kunst ?”. ((Haimo Schack, Kunst und Recht, Rz 460, 2. Auflage, 2009.)) Ein Spannungsverhältnis zwischen dem Eigentums- und Urheberpersönlichkeitsrecht.((ders., Rz 460))

8. Damien Hirts “Shark”

Im Jahr 2005 kaufte ein amerikanischer Sammler für zehn Millionen Euro den skandalträchtigen Hai „Shirley“ von Damien Hirst, das Werk trägt auch den Namen: “The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living (Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden)” und stammt aus dem Jahr 1991. Das Kunstwerk besteht aus Glas, Stahl, Formaldehydlösung, und einem Tigerhai. Der „Haken“ am Hai: Das Kunstwerk altert. Vorkoeper beschriebt sehr anschaulich im Artikel „Die letzte Wissenslücke“ den Verfall des Kunstwerkes:((Ute Vorkoeper, Die letzte Wissenslücke, Die Zeit, 10.2.2006. www.diezeit.de.))

„Die Haut des Hais wird runzelig, das Fleisch fängt an zu verwesen und Stücke davon sollen schon auf den Boden der Vitrine gesunken sein. Das widerspricht dem ursprünglichen Konzept von Damien Hirst. Jetzt kann man darüber streiten, ob die Arbeit damit verdorben ist – oder einfach eine neue Bedeutung bekommt. Schließlich wird nicht mehr die Unvorstellbarkeit des Todes im Leben, sondern die Vergänglichkeit und Vanitas (Nichtigkeit, Eitelkeit) des ehemals Lebendigen deutlich sichtbar. Wenn das so ist, würde Shirley nicht länger wie echt aussehen und kaum jemand müsste fürchten, von ihr gefressen zu werden. Die lebendige Gegenwart des Todes, die den Horror und die Faszination der Arbeit ausmachte, könnte Hirst vermutlich nur mit einem frischen toten Hai ein zweites Mal erzeugen. Siegt am Ende also doch der Titel der Arbeit? Den wirklichen, den echten, uns betreffenden Tod auf Dauer festzuhalten erweist sich auch hier am Ende als unmöglich.“

Der Hai wurde 1991 von Charles Saatchi zu einem Preis von 50.000 Pfund bei dem Künstler Damien Hirst bestellt. Der Kaufpreis, der 2005 bezahlt wurde, beträgt sieben Millionen Pfund (das sind ca. 9,99 Millionen Euro). ((http://www.felixsalmon.com/000344.html))

Es wurde alles mögliche unternommen, den Hai zu erhalten, er wurde gehäutet und die Haut über ein Kunststoffskelett gespannt, wodurch die realistische Wirkung des Werkes zerstört war. Letztendlich wurde der Hai durch einen neuen ersetzt.((http://www.spiegel.de/spiegel/kulturspiegel/d-49383492.html sowie http://diepresse.com/home/kultur/kunst/4602193/Von-Stumpern-Kaefern-und-Putzfrauen_zerstorte-Kunst))

9. Dieter Roth, Motorradrennfahrer III, 1970/1994 (Rekonstruktion)

Als Beispiel sei noch die Eat-Art angeführt, Kunstwerke die leben, die sich verändern können, dies ist alles ein wesentlicher Bestandteil dieser Kunstrichtung. Dieter Roth teilte Restauratoren immer wieder folgendes mit:((Kegel in FAZ Kunstmarkt extra, 14.6.2005, Blut, Schweiß und Tränen, Schokolade, ein Haifisch oder Elefantenhaar.))

„Stört meine Arbeit nicht ! Motten, Würmer und Brotkäfer sind meine Assistenten, und die müssen ihre Arbeit tun so wie wir.“ 

Weiterführende Literatur / Webseiten

 

Art damaged von Christopher Schreck mit vielen weiteren Beispielen.

Weitere Putzunfälle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/london-putzfrau-entsorgte-kunstwerk-1175379.html oder http://www.juraexamen.info/pommes-dor-fritten-als-kunst-olg-munchen-bejaht-schadensersatzanspruch-des-kunstlers-bohnenberger/

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5 Gedanken zu „9 aufsehenerregende Kunstzerstörungs-Fälle“

  1. Ja leider, gesehen habe ich es auch in Ägypten. Wie kann man nur Gräber und das Erbe der Vorfahren so verschmieren, beschädigen und mutwillig zerstören :( Das ist doch Kultur, ein Stück Geschichte, das sind wir alle.

  2. Wow, hochinteressanter Beitrag. Und ein Wahnsinn, dass man “im Kampf” gegen zu viel internationale Kunst, mal eben ein alte Vase für immer zerstört. (Toller Blog im Gesamten, übrigens!)

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