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Gletscher und Vulkane, Street-Art und Welterbe | Kulturtipp von stadtsatz.de

Obwohl Reykjavík 2010 europäische Kulturhauptstadt war, ist die Kultur der isländischen Hauptstadt kein klassischer Tipp in den deutschen Feuilletons. Dabei sind die Isländer unglaublich kreativ und schöpferisch: Kunst und Kultur in all ihren Facetten selbst zu erschaffen, gehört zum alltäglichem Selbstverständnis dazu.

Ich muss zugeben, auch ich flog in erster Linie nach Island, um die beeindruckende Natur des Landes zu besichtigen. Mein Leben machte mir aber einen Strich durch die Rechnung und segnete mich mit Schneestürmen, die die Straßen zu den Naturschauspielen unpassierbar machten, und hohem Fieber, das mich in der Stadt gefangen hielt.
Ich brauchte eine Weile, um mich damit zu arrangieren. Im Nachhinein kann ich aber sagen, dass mir „die Lebensumstände“ sehr schöne Erlebnisse beschert haben, an die ich mich heute gerne zurück erinnere.

Beispielsweise hätte ich nicht damit gerechnet, dass man in ganz Reykjavík unzählige, großformatige Graffitis und Street-Art besichtigen kann. Diese haben zum Teil sehr rührende Hintergrundgeschichten, stammen von namhaften Künstlern und wurden von der Stadtverwaltung genehmigt. Einige Graffitis entstanden im Rahmen eines Kultur-Festivals und gehen in Einklang mit isländischer Musik, den berühmten Sagas oder hiesigen SchauspielerInnen. So kann man Stunden damit füllen, all diese Bilder in den Straßen von Reykjavík zu entdecken – was sicherlich auch für Kinder und Jugendliche ein schönes Erlebnis ist.

Gegensätze ziehen sich an

Der Ort, der mich während meiner Reise aber am meisten beeindruckte, liegt etwa 50 Kilometer außerhalb von Reykjavík und ist beim besten Willen kein Geheimtipp mehr: der Þingvellir Nationalpark ist seit 2004 UNESCO Weltkulturerbe.

Täglich wird Þingvellir von Touristenmaßen überrollt, die ihn auf ihren atemlosen Touren über den Golden Circle mitnehmen. Deshalb sollte man den Nationalpark am besten an einem späten Nachmittag im Frühling oder Herbst besuchen, wenn die zahlreichen Touristenbusse bereits weitergefahren sind. Mit einer Handvoll anderer Menschen hat man dann die Möglichkeit, sich auf dieses Natur- UND Kulturhighlight einzulassen.

Der Nationalpark Þingvellir liegt mitten in einer Grabenbruchzone zwischen der eurasischen und amerikanischen Kontinentalplatte. Diese driften bekanntlich voneinander weg: Tag für Tag, Millimeter für Millimeter, bewegt durch die rohen Kräfte des nach oben drückenden Magmas, dass direkt aus dem Inneren der glühend-heißen Kugel strömt, auf der wir leben.
In Þingvellir werden die auseinander driftenden Platten in der Silfra-Spalte sichtbar. Sie ist mit kristallklarem Wasser gefüllt und kann von eifrigen Tauchern erkundet werden. Alle anderen Besucher haben die Möglichkeit, zwischen „Europa und Amerika“ hin und her zu springen.

Im Nationalpark befindet man sich aber auch an einem der bedeutendsten Orte der isländischen Geschichte. Nach der Besiedlung Islands durch die Wikinger, traf man sich hier ab 930 jährlich, um Versammlungen abzuhalten und Gesetze zu erlassen. Beim Alþing, wie man das isländische Parlament bis heute nennt, handelt es sich um das älteste, bestehende Parlament der Welt. Man traf sich (unter anderem) genau an diesem Ort, weil die hier aufragenden Felsen der Almannagjá, eine hervorragende Akustik bieten. Der Gesetzessprecher nahm seinen Platz auf dem Lögberg (Gesetzesberg) ein und war von dort aus (auch ohne Mikro :) ) für alle gut zu hören. Seine Position wird heute von einer isländischen Flagge gekennzeichnet.

Vom Lögberg hat man auch heute noch einen beeindruckenden Blick über die Landschaft und hinunter zur Þingvallakirkja und einigen historischen Wohnhäusern.

Lögberg mit der isländischen Flagge | © Anett Ring, stadtsatz.de

Lögberg mit der isländischen Flagge | © Anett Ring, stadtsatz.de

Blick vom Lögberg auf die Þingvallakirkja | © Anett Ring, stadtsatz.de

Blick vom Lögberg auf die Þingvallakirkja | © Anett Ring, stadtsatz.de

Þingvallakirkja | © Anett Ring, stadtsatz.de

Þingvallakirkja | © Anett Ring, stadtsatz.de

Þingvellir Nationalpark | © Anett Ring, stadtsatz.de

Þingvellir Nationalpark | © Anett Ring, stadtsatz.de

Historische Architektur, Entspannung und pure Idylle: Übernachtung und Geothermalbad in Laugarvatn

Nach der Besichtigung des Þingvellir Nationalpark übernachteten wir in der Héraðsskólinn, einem Hostel und Hotel, das sich in der alten Schule von Laugarvatn befindet. Das ganze Haus ist voll mit historischen Büchern und Gegenständen, die liebevoll arrangiert sind und zu einer Entdeckungsreise einladen.

Bevor man sich in die superbequemen Hotelbetten kuschelt, sollte man aber in seinen Badeanzug schlüpfen und das Geothermalbad Fontana besuchen. Vom Hotel aus sind es nur wenige Meter Fußweg bis zu den Hot Pools und die Ermäßigung, die man erhält wenn man in der Héraðsskólinn übernachtet, lohnt sich ebenfalls.

Das modern gestaltete Thermalbad hat ganzjährig geöffnet. Bei eisigen Außentemperaturen – jenseits von Gut und Böse – ist es sehr entspannend, draußen im heißen Wasser zu liegen. Wer möchte, kann zur Erfrischung auch in den angrenzenden See springen. Im Gegensatz zu den Isländern, wollte ich bei Eis und Schneefall aber nicht mehr als meine Zehenspitzen hinein stecken. Es kostete mich ausreichend Überwindung, im Freien im Badeanzug zwischen den Pools hin und her zu laufen. ;-) Für Hartgesottene gibt es in der Fontana auch verschiedene traditionelle Dampfsaunen, die über unterirdische heiße Quellen geheizt werden und am Schwefelgeruch gut zu erkennen sind. Typisch isländisch!

Gut zu wissen

Anreise: Mit dem Flugzeug zum internationalem Flughafen Reykjavík Keflavík (KEF), anschließend empfiehlt sich ein Mietwagen. Achtet darauf, dass die Fahrzeuge im Winter mit Spikes und Vier-Rad-Antrieb ausgestattet sind.

Von Reykjavik sind es circa 50 Kilometer bis zum Nationalpark und von hier aus weitere 32 Kilometer bis Laugarvatn. Wie lange man für die Fahrt braucht, ist sehr stark vom Wetter und den Straßenverhältnissen abhängig. Unter road.is und vedur.is kann man beides gut im Überblick behalten und auch sehen, ob die Straßen eventuell gesperrt sind. (Tipp: Bei vedur.is gibt es auch eine Vorhersage zur Aktivität des Polarlichts.)

Übernachtung: Die Preise für Übernachtungen in Reykjavík liegen im oberen Preissegment. Airbnb war für uns eine kostengünstigere Alternative. In Laugarvatn haben wir im Hotel-Trakt der Héraðsskólinn übernachtet. Für Budget-Reisende kann aber auch der Hostel-Bereich in Frage kommen, der ebenfalls sehr gepflegt aussah.

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Über die Autorin:

© Anett Ring, stadtsatz.de

© Anett Ring, stadtsatz.de

Auf meinem Architektur-Blog stadtsatz.de erzähle ich Architektur-Liebhabern die spannenden Geschichten, die sich hinter vielen Gebäuden verstecken, und gebe Einblicke in das facettenreiche Spektrum von Architektur, Baukultur und UNESCO Welterbe.

Ich verbinde diese Themen gerne mit Reisen und guten Architekturbüchern, die ich selbst als Inspirationsquelle für meine Arbeit als Architekturjournalistin und Mediengestalterin für Architekten nutze.

Wir danken Anett von stadtsatz.de herzlichst für den wunderschönen Beitrag über Reykjavík und Island!

Coverbild: Þingvellir Nationalpark | © Anett Ring, stadtsatz.de

Ein Gedanke zu „Gletscher und Vulkane, Street-Art und Welterbe | Kulturtipp von stadtsatz.de“

  1. Oh, Þingvellir. und dann auch noch im Winter. – Eine tolle Stimmung, die du da eingefangen hast! Seltsamerweise war mir bis eben gar nicht klar, dass die Gegend auch Nationalpark ist. Aber es gibt ja so viele bemerkenswerte Landstriche in Island – geschützt oder nicht.
    Apropos Bibliothek: Wer gerne liest und vor der Island-Reise wahrscheinlich auch das eine oder andere von Halldor Laxness in der Hand hat, für den ist dann auch sein Haus in Mosfellsbær, ein wenig außerhalb von Reykjavík sicher spannend. Ich hatte bei meinem Besuch das Gefühl, dass jederzeit ein paar Gäste von Laxness zur Tür hereinkommen könnten, so irgendwie lebendig wirkte vor allem das Wohnzimmer auf mich.
    Danke, Anett, für das Zurückbringen von lauter schönen Island-Erinnerungen – werde nun einen winterlichen Besuch mal auf meine Agenda setzen.
    Viele Grüße, Nadine
    PS: Schönes Blog-Themen übrigens hier!

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